Die Achtsamkeit ist der Wärter am Tor zum bewussten Sein.
Warum hat es so lange gedauert, bis ich den neuen Artikel veröffentlicht habe?
In der Überlegung, welches Thema ich nach Achtsamkeit, Ärger und Liebe betrachten möchte, ist mir rasch klar geworden, ich möchte über das Bewusstsein schreiben. Wie ihr an der Zeitspanne sehen könnt, die seit dem letzten Blogeintrag vergangen ist, ist über das Thema zu schreiben natürlich viel komplexer, als ich ursprünglich dachte.
Wobei es ja so ist, dass wenn ich mich mit einem Thema in der Absicht auseinandersetze, dass ich darüber schreiben möchte, viel intensiver darüber nachdenke, um Gedanken auch ausformulieren zu können.
So war es auch, dass ich seit Mai immer wieder mehr oder weniger intensiv darüber nachgedacht habe. Vieles wird ja auch nicht sofort gesehen, verstanden oder erkannt, aber das Unterbewusstsein beschäftigt sich mit dem Thema und plötzlich, wie aus dem Nichts, kommt nach einer gewissen Zeitspanne eine Erkenntnis.
Ursprung des deutschen Wortes Bewusstsein.
Das Wort Bewusstsein ist abgeleitet aus dem mittelhochdeutschen Wort bewissen im Sinne von „Wissen über etwas habend“ und ist im weitesten Sinne das Erleben mentaler Zustände und Prozesse. [https://de.wikipedia.org/wiki/Bewusstsein]
Hier liegt auch schon die Feinheit, die oft vergessen wird. Bewusstsein beinhaltet nicht nur die Außenwelt, sondern auch die mentalen Zustände und Prozesse. Um diese aber zu erkennen, ist es wichtig achtsam zu sein.
Das Bewusstsein in der Philosophie.
Obwohl die Griechen die Frage des Bewusstseins nicht ignoriert haben (wie das Orakel von Delphi, das uns auffordert, uns selbst zu erkennen, bezeugt), geht man davon aus, dass die Philosophie des Bewusstseins (auch Philosophie des Subjekts genannt) im 17. Jahrhundert mit Descartes begründet wurde und den modernen Wendepunkt in der Geschichte der Philosophie markiert. [https://www.philomag.de/lexikon/bewusstsein]
Platon, Aristoteles und Descartes
Platon weist in seinem Höhlengleichnis darauf hin, dass wir die reale Welt verzerrt wahrnehmen. Die in einer Höhle angeketteten Menschen nehmen die reale Welt nur als Schatten wahr, die das Feuer der Höhle an die Wand wirft.
Für Aristoteles, Schüler des Platon, werden Gedanken erst durch Wahrnehmung mit Inhalten gefüllt. Kein Denken also ohne Körper, keine Erkenntnis ohne Erfahrung.
[https://www.fluter.de/zusammenhang-koerper-und-geist-in-der-philosophie]
Rene Descartes berühmter Satz „cogito ergo sum“ – Ich denke, also bin ich, hat er formuliert, weil er ein sehr kritischer Geist war und alles anzweifelte und hinterfragte. Er erkannte aber auch, dass dieses Zweifeln ein Denkprozess ist und für jeden Vorgang des Denkens muss es etwas geben, dass ihn ausführt. Dieses Etwas ist das Ich. Descartes:
„Da es ja immer noch ich bin, der zweifelt, kann ich an diesem Ich, selbst wenn es träumt oder fantasiert, selber nicht mehr zweifeln.“
Was sagt die Neurowissenschaft über das Bewusstsein?
Zu dem Thema Bewusstsein wird gerade in der letzten Zeit sehr viel geforscht. Wissenschaftler suchten zum Beispiel nach neuronalen Korrelationen des Bewusstseins. Das sind die Hirnaktivitäten die mindestens ablaufen müssen, damit wir eine spezifische Bewusstseinserfahrung haben.
Bewusstes Wahrnehmen benötigt Zeit, weil es laut Experten Rückkopplungsschleifen benötigt. Alles deutet darauf hin, dass das Bewusstsein im Neokortex gebildet wird. Um es genauer eingrenzen zu können haben Wissenschaftler weitere Experimente durchgeführt und sind zu dem Schluss gelangt, dass die sogenannten „hintere heiße Zone“ maßgeblich daran beteiligt ist, um bewusst wahrzunehmen.
[Gehirn& Geist Dossier3/2021 Spektrum der Wissenschaft „Natur des Bewusstsein“ von Christof Koch]
Alles, was nicht in der assoziativen Großhirnrinde abläuft, ist uns nicht bewusst.
[https://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/bewusstsein/1446]
Universum und Bewusstsein
Wie ihr vielleicht schon mitbekommen habt, bin ich ein Fan von Professor Lesch. Auch zu dem Thema „Könnte das Universum ein Bewusstsein haben“ hat er eine Terra-X Folge gemacht. Ich möchte nicht im Detail darauf eingehen und wenn es euch interessiert könnt ihr dem Link folgen. [https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/lesch-und-co-hat-das-universum-ein-bewusstsein-106.html]
Der Panpsychismus
Die Wissenschaft (Greg Matloff) konnte sich bestimmte Phänomene im Universum, auch Anomalien genannt, nicht anders erklären, als zu postulieren, dass eine „Absicht“ dahinter stehen müsste. Dies wiederum könnte erklärt werden durch die Theorien und Ideen des Panpsychismus.[https://de.wikipedia.org/wiki/Panpsychismus]
Diese Phänomene im Universum könnten dadurch erklärt werden, wie Greg Matloff erklärt, dass es ein kosmisches Bewusstsein gibt. Dies würde auch ein Bindeglied zwischen Wissenschaft und Philosophie sein.
Hedda Hassel Mørch schreibt 2018 in der Frankfurter Allgemeinen über das „harte„ Problem, wie der Geist in die Natur kommt. Um ein bewusstes System zu schaffen, brauchen wir, so gesehen, nur physische Materie. Man setze sie auf die rechte Weise zusammen, wie das im Gehirn geschieht, und Bewusstsein wird erscheinen. Aber wie und warum kann Bewusstsein herauskommen, wenn man doch nur nicht-bewusste Materie auf eine bestimmte komplexe Weise zusammensetzt?
Dort wo Aufmerksamkeit ist, da findet Bewusstsein statt.
[https://zen-integral.com/2016/09/06/sich-von-anhaftungen-befreien/ ]
Das bewusste Sein als Schlüssel für eine persönliche Weiterentwicklung.
Ich will in diesem Artikel aber nicht einfach eine Auflistung von verschiedenen Erkenntnissen und Lehren das Bewusstsein betreffend machen, sondern meiner Linie treu bleiben und vor allem von meinen Erfahrungen und Eindrücken berichten. Daher habe ich auch im Titel das „bewusste SEIN“ gewählt.
Die schon oft erwähnte Achtsamkeit ist essenziell, wenn es darum geht, zu erkennen, was alles im Bewusstsein abläuft und wie bewusstes Sein aussehen kann.
Als wesentlich bei bewusstem Sein habe ich erkannt, dass im Bewusstsein viele verschiedene Prozesse aus unterschiedlichen Quellen ablaufen. Das, was wir vordergründig als bewusstes Wahrnehmen bezeichnen würden, sind die Wahrnehmungen die von unseren Sinnesorganen empfangen werden. Wir sehen, hören, schmecken, riechen und fühlen und ein Bild formt sich aufgrund dieser Eindrücke.
Was aber meiner Meinung nach der Kernpunkt ist, sind die begleitenden Wahrnehmungen. Wir nehmen einen Baum in einer Landschaft nicht nur über diese 5 Sinnesorgane wahr, sondern in unserem „Bewusstsein“ mischen wir dies mit Erfahrungen, Gefühlen, Emotionen, Erinnerungen und Plänen.
Und da liegt der große Unterschied, wenn wir sagen etwas bewusst wahrnehmen, so wie es ist. Viele sagen auch das Annehmen oder zu erkennen, ohne es zu bewerten. Wirklich zu erkennen, was ist das reine bewusste Wahrnehmen eines Objektes, einer Situation oder eines Subjekts und was kommt zusätzlich aus einem selbst noch dazu und überlagert und ergänzt das Wahrgenommene.
Liebe ist der am schwersten zu erreichende Bewusstseinszustand.
Was trübt das reine bewusste Wahrnehmen, was hält uns ab von reinem Gewahrsein?
Bleiben wir bei dem Baum, den wir bei einem Sommerspaziergang in der Landschaft sehen. Eine saftige grüne Wiese mit vielen blühenden Sommergräsern und in der Mitte diese eine alte weit ausladende Linde. Ich nehme diesen Baum als mächtig war und er erinnert mich an eine Wanderung mit meinen Eltern. Sofort kommt das Gefühl auf, das ich damals empfunden habe und ich fühle mich geborgen. Ich hatte das Glück, eine schöne und sorglose Kindheit gehabt haben zu dürfen. Ein Bild meines leider viel zu früh verstorbenen Vaters taucht in meinem Geist auf und ich denke an ihn.
Jemand, der ebenfalls gerade auf seiner Wanderung an diesem Platz vorbeikommt und den Baum sieht, macht unbewusst einen Bogen um ihn. Er war als Jugendlicher auf einem Pfadfinderlager in ein Gewitter geraten und seit dem sind ihm große Bäume nicht geheuer.
Erkennt ihr, worauf ich hinaus will? Ohne Achtsamkeit und dem Wissen, was in einem vorgeht, ist es fast nicht möglich nur den Baum als Baum wahrzunehmen. Unsere Erziehung und damit Wertesysteme, unsere Erfahrungen, unsere Emotionen, unsere Stimmungen und Gedanken, die wir in dem Augenblick haben, in dem wir den Baum sehen, beeinflusst, wie wir etwas wahrnehmen und es in unserem Bewusstsein erscheint.
Achtsamkeit ist ein aufmerksames Beobachten, ein Gewahrsein, das völlig frei von Motiven oder Wünschen ist, ein Beobachten ohne jegliche Interpretation oder Verzerrung.
Wenn ich also versuche nur den Baum bewusst wahrzunehmen und alles andere auszublenden, dann bin ich im reinen Gewahrsein.
Bewusstsein ist also die Deutung der Wirklichkeit gemäß persönlicher Erfahrungen, Werte, Stimmungen und ähnlichem, wohingegen reines Gewahrsein ein nicht wertendes Annehmen im Jetzt ist. [https://www.seele-und-gesundheit.de/spiritualitaet/gewahrsein.html]
[https://de.wikipedia.org/wiki/Achtsamkeit_(mindfulness)]
Was ist mein momentaner Zugang zu dem Thema Bewusstsein und was habe ich erkennen dürfen?
Was ich mit bewusstem Sein meine ist, dass ich die Eindrücke, die über den Tag hinweg auf mich einwirken ohne und das ist ein Schlüsselelement, Bewertung und innere Kommentare geschehen lasse, einfach annehme. Das ist natürlich viel leichter gesagt als getan, weil wir ja so konditioniert sind alles zu bewerten.
Durch Erziehung, Ausbildung, Erfahrung und Charaktereigenschaften haben wir verschiedene Filter in uns vereint. Die Eindrücke des Tages passieren diese Filter und werden dementsprechend von „Uns“ kommentiert, behandelt und abgespeichert. Sei es bewusst oder unbewusst. Diese Filter können auch als Ego benannt werden, welches im Laufe der Zeit (Kindheit) entstanden ist.
Was schreibt Jack Kornfield über Bewusstsein?
Jack Kornfield schreibt in seinem Buch „Das Weise Herz“:
Wenn wir unsere Aufmerksamkeit von der Erfahrung auf den Raum des Bewusstseins lenken, in dem sie stattfindet, entsteht Weisheit.
Die Fähigkeit zum Gewahrsein, das Bewusstsein zu beobachten, ohne sich in die Erfahrung verwickeln zu lassen, ist bemerkenswert und befreiend. »Gewahrsein ist durch und durch nützlich«, lehrte der Buddha. Die transformierende Kraft der Achtsamkeit, welche das Gewahrsein hervorbringt, ist die Grundlage der buddhistischen Psychologie. Alle, die sich selbst verstehen wollen, lehrt der Buddha, »mit dem Geist den Geist zu beobachten«.
Das wichtigste Werkzeug, um das Bewusstsein zu untersuchen, ist unsere eigene Beobachtungsgabe. Mit Hilfe der Achtsamkeit lenken wir unsere Aufmerksamkeit auf das, was in uns vorgeht, und untersuchen, wie unser Geist und unsere Erfahrungen arbeiten.
Die buddhistische Psychologie geht davon aus, dass das Bewusstsein die Grundvoraussetzung für das Leben ist, und dass der Körper mit dem Bewusstsein zwar interagiert, nicht jedoch seine Quelle ist.
Gerne wird das Bewusstsein auch mit einem Spiegel verglichen. Ein Spiegel reflektiert alles und bleibt doch selbst hell und strahlend, unberührt von den Bildern, die er auffängt, seien sie nun schön oder schrecklich.
Das ist genau der Punkt. Ein Spiegel bewertet nicht und denkt nicht über das gespiegelte nach. [Jack Kornfield „Das weise Herz“] – mehr über das Bewusstsein von Jack Kornfield im Bereich Wissenswertes
Wo immer Du bist, sei ganz dort.
Forscher sind dem Bewusstsein ohne Ich-Gefühl auf der Spur.
Im Standard vom 16.07.2021 findet sich ein sehr interessanter Artikel genau zu diesem Thema. An der Johannes Gutenberg Universität in Mainz wird zu diesem Thema geforscht. Ziel ist es ein Minimalmodell des menschlichen Bewusstseins zu erstellen.
„Typisch für das reine Bewusstsein scheint demnach beispielsweise ein Empfinden von Stille, Klarheit und eines wachen Gewahrseins ohne Ich-Gefühl zu sein.“
Der Standard.at – Forscher sind dem Bewusstsein ohne Ich-Gefühl auf der Spur.
Zum Abschluss, noch eine ganz persönliche Erfahrung.
Wie ihr wisst, bin ich immer wieder zu einem Bewusstseinscoach gegangen, um Fragen zu beantworten und neue Sichtweisen kennen zu lernen.
Als ich nach so einer Sitzung Lebensmittel im „Markt meines Vertrauens“ einkaufen war, hatte ich ein schönes Erlebnis, das oberflächlich betrachtet als kitschig zu bezeichnen ist, aber ich auch gerne einen „Aha-Effekt“ nenne.
Ich habe all die Leuten die emsig im Markt nach ihren Waren gesucht haben auf einmal anders wahrgenommen. Bei keinem der Personen die mir entgegengekommen sind habe ich bewertet. Dieses Werten läuft bei mir ganz automatisch ab, aber in diesem Moment hatte ich das nicht. Ich nahm die Leute wahr wie sie sind. Sah irgendwie, wie sie alle ihre Sorgen, Ängste, Vorurteile, anerzogenen Eigenheiten, Erwartungen und Enttäuschungen haben.
Das ganze hat nur einige Sekunden gedauert und ich war komplett entspannt und präsent. Auch alle meine Vorurteile, Werte, Ängste, Pläne Frustrationen waren in diesem Moment nicht vorhanden und ich habe Verständnis gefühlt. Es war ein sehr beglückender Moment und ich habe es sehr positiv in Erinnerung behalten.
Ich würde das als einen Moment des reinen Bewusstseins bezeichnen. Leider habe ich das seit damals nur noch einmal erlebt und bis dato nicht mehr. Aber ich denke, ich habe einen Blick erhaschen können, wie es sich anfühlen kann und ich versuche dies wieder zu erleben.
Referenzen & Links
https://www.osho.com/de/deutsche-zitate/osho-zitate-bewusstheit
https://de.wikipedia.org/wiki/Bewusstsein
https://www.dasgehirn.info/denken/bewusstsein/was-ist-bewusstsein
https://www.zeit.de/wissen/2017-10/was-ist-bewusstsein
https://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/bewusstsein/1446
https://www.spektrum.de/news/was-ist-bewusstsein/1681458
https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/gehirn-nervensystem/bewusstsein/
https://www.tagesspiegel.de/wissen/hirnforschung-das-raetsel-bewusstsein-bald-geloest/13376812.html
https://www.tagesspiegel.de/wissen/koerper-und-seele-wie-der-geist-entsteht/11595550.html
Was ist Bewusstsein?
https://www.herder.de/thph/hefte/archiv/92-2017/1-2017/was-ist-bewusstsein/
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